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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 3 WF 89/03
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 28
BRAGO § 121
BRAGO § 123
BRAGO § 126
BRAGO § 126 Abs. 1
BRAGO § 126 Abs. 1 S. 1
BRAGO § 126 Abs. 1 S. 2
BRAGO § 126 Abs. 1 S. 2, 2. HS
BRAGO § 128
BRAGO § 128 Abs. 4 S. 1
ZPO § 78
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, 2. HS
ZPO § 121 Abs. 3
1. Reisekosten und Abwesenheitsgeld sind Mehrkosten, die dem beigeordneten Anwalt nur dann zu erstatten sind, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei erforderlich waren.

2. Ob die Zuziehung eines in der Nähe des Wohn- und Geschäftsortes ansässigen Anwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ist (vgl. BGH in NJW 2003, 898), bedarf im konkreten Fall keiner Entscheidung.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

Naumburg, den 28.08.2003

3 WF 89/03 OLG Naumburg

In dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 128 BRAGO betreffend den Rechtsstreit

Tenor:

werden auf die Beschwerde der beigeordneten Rechtsanwältin der Beklagten vom 11.06.2003 der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Osterburg vom 22.05.2003 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 12.08.2003 sowie der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.08.2002 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 24.01.2003 (Az.: F 31/02) aufgehoben.

Die der beigeordneten Rechtsanwältin der Beklagten gemäß §§ 121, 123 BRAGO aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden festgesetzt auf 928,00 €.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Das Amtsgericht Osterburg hat im Rahmen eines Streites über die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten und dem gemeinsamen Kind S. K. mit Beschluss vom 30.05.2002 der in Berlin wohnhaften Beklagten unter Beiordnung von Rechtsanwältin Sch. aus Berlin ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2002 schlossen die Parteien einen Vergleich. Am 08.07.2002 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten (nachfolgend als Beschwerdeführerin bezeichnet) die Festsetzung ihrer Vergütung. Unter anderem begehrte sie auch den Ersatz von Fahrtkosten in Höhe von 108,-- € und die Zahlung eines Abwesenheitsgeldes von 56,-- €, jeweils zuzüglich 16 % Umsatzsteuer, weil sie ihren Kanzleisitz in Berlin und nicht in Osterburg habe. Im Festsetzungsbeschluss vom 28.08.2002 hat das Amtsgericht die Vergütung mit Ausnahme der Fahrtkosten, des Abwesenheitsgeldes sowie der Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr in Höhe von 225,-- € wie beantragt festgesetzt. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 20.09.2002 Erinnerung eingelegt, der die Rechtspflegerin beim Amtsgericht mit Beschluss vom 24.01.2003 nicht abgeholfen und die sie dem zuständigen Richter bei dem Amtsgericht Osterburg zur Entscheidung vorgelegt hat. Mit Beschluss vom 22.05.2003 hat der Richter die Erinnerung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 11.06.2003 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht durch Beschluss vom 12.08.2003 nicht abgeholfen hat.

Die gemäß § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf Vergütung ihrer Reisekosten und auf Zahlung von Abwesenheitsgeld. Der Anspruch des im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalts auf Zahlung der gesetzlichen Vergütung aus der Staatskasse ergibt sich aus § 121 BRAGO, wobei zur gesetzlichen Vergütung grundsätzlich neben den Gebühren auch die Reisekosten und ein Abwesenheitsgeld gehören. Der Grundsatz der Auslagenerstattung wird jedoch durch § 126 Abs. 1 BRAGO eingeschränkt. Nach § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO sind nämlich Auslagen, insbesondere Reisekosten nicht zu vergüten, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Ausdrücklich legt § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO fest, dass Mehrkosten nicht zu vergüten sind, die dadurch entstehen, dass der Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht oder eine auswärtige Abteilung des Gerichtes befindet. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Rechtsanwalt beigeordnet wird, der weder bei dem Prozessgericht, noch bei einem Gericht zugelassen ist, das sich an demselben Ort wie das Prozessgericht befindet (§ 126 Abs. 1 S. 2, 2. HS BRAGO). Letzteres trifft auf die Beschwerdeführerin zu. Zwar ist sie, worauf die Rechtspflegerin im Nichtabhilfebeschluss vom 24.01.2003 zu Recht hingewiesen hat, vor allen Familiengerichten der neuen Bundesländer postulationsfähig, da sie bei einem Amts- oder Landgericht (in diesem Fall in Berlin) zugelassen ist. Jedoch ist die Frage der Postulationsfähigkeit zu trennen von der Frage der Zulassung des Anwalts bei einem Gericht bzw. mehreren Gerichten. Trotz § 78 ZPO in der derzeit geltenden Fassung stellt § 126 Abs. 1 S. 2, 2. HS BRAGO noch allein auf die förmliche Zulassung ab. Von der Möglichkeit einer Anpassung des § 126 BRAGO hat der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (vgl. BGH NJW 2003, 898, 900 [zu § 91 Abs. 2 S. 1, 2. HS ZPO]; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 126 BRAGO Rn. 35). Somit kommt es allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO erfüllt sind, ob also im konkret zu beurteilenden Einzelfall Reisekosten und Abwesenheitsgeld Mehrkosten darstellen, die zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Beklagten erforderlich waren.

Dies ist vorliegend der Fall, denn Gegenstand des Verfahrens war eine Vollstreckungsabwehrklage mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus dem umfangreichen Prozessvergleich der Parteien vom 26.08.1998 für unzulässig zu erklären, wobei ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad durch die Verbindung mit einem Vollstreckungsschutzantrag des Klägers hervorgerufen wurde. Dafür, dass die Beauftragung der Beschwerdeführerin durch die Beklagte eine sachgerechte Maßnahme der Interessenwahrnehmung war, spricht auch der Umstand, dass - dies folgt aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 05.11.2001 an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle des Amtsgerichts Erfurt (Bl. 16) - die Beschwerdeführerin mit der Vollstreckung des Prozessvergleichs vom 26.08.1998 beauftragt war, bezüglich dessen der Kläger die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung begehrte. Es war also die Beschwerdeführerin eingehend mit der entscheidungserheblichen Materie vertraut. Die Gesamtheit dieser Umstände lässt eine Zuziehung gerade der Beschwerdeführerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erscheinen.

Der Senat lässt daher dahinstehen, ob die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 16.10.2002 (NJW 2003, 898 ff.) zu § 91 Abs. 2 S. 1, 2. HS ZPO, demzufolge die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darstellt, auch im Rahmen der Anwendung des § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO Geltung beansprucht.

§ 121 Abs. 3 ZPO steht den Erstattungsansprüchen der Beschwerdeführerin nicht entgegen, denn unter den dort genannten weiteren Kosten sind nur solche zu verstehen, die nicht im Rahmen der sachgerechten Wahrnehmung von Parteiinteressen erforderlich sind.

Demgemäß waren der von der Beschwerdeführerin zu beanspruchenden Vergütung Fahrtkosten gemäß § 28 BRAGO (108,-- €) sowie ein Abwesenheitsgeld gemäß § 28 BRAGO (56,-- €), jeweils zuzüglich 16 % Umsatzsteuer hinzusetzen.

Die Nichtfestsetzung der Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr wird von der Beschwerdeführerin nicht angegriffen. Nur der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass das Amtsgericht zu Recht diese Gebühr abgesetzt hat, weil im Termin vom 30.05.2002 weder die Sach- und Rechtslage erörtert, noch streitig zur Sache verhandelt wurde.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 5 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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